Als ich vor 11 Tagen meinen stählernen Körper waschend in der Dusche stand, dachte ich darüber nach, dass ich gerne besser über den Impffortschritt informiert wäre. Dann fragte ich mich direkt, warum ich das eigentlich wollen würde. Dann, warum ich denke, dass ich überhaupt jeden Tag über die aktuellen Nachrichten informiert sein sollte.
Bringt mir gerade nichts, dachte ich beim Abtrocknen und habe seitdem keine Nachrichten mehr gelesen, gehört, oder angeschaut. Alle tatsächlich relevante Informationen wurden durch Gespräche mit Freunden an mich herangetragen. Ich bin weniger, aber nicht schlechter informiert. Was will ich mehr. Ich liebe es.
Seit einem Jahr passieren täglich tausende Sachen, die mich wütend machen. Jeden Tag 2-3 dumme Aussagen von irgendwem. Jeden Tag das unverantwortliche Verhalten vom Großteil der Gesellschaft. Jeden Tag Zahlen, die steigen, sinken, oder gleichbleibend sind. Dazu der ständige Vergleich mit anderen Menschen, Städten, Ländern, Kontinenten.
Man könnte mich dafür kritisieren, dass man nicht die Augen vor der Welt und all ihren Abgründen verschließen darf. Mache ich aber. Vermutlich wird die Welt darauf verzichten können, dass ich weiß, was welche Kanzlerkandidat:innen gesagt haben. Vielleicht ist es okay, wenn die Impfungen langsam mehr werden, während ich nicht täglich über die genauen Zahlen informiert bin. Mein Pandemie-Verhalten ist seit März 2020 das gleiche, weil absehbar war, wie kluges Verhalten aussehen wird. Wenn Wahlen sind, wähle ich Parteien nicht nach dem aktuellen Wahlprogramm, oder Politikern und dem, was sie gerade sagen, sondern übergreifenden politischen Strömungen. Das war schon immer besser als reaktionäre Entscheidungen zu treffen.
Ich optimiere mein Leben für möglichst viel Glück. Wenn mich etwas täglich wütend macht, klingt es wie eine Sache, die kritisch betrachtet gehört. Gerade hilft mir das völlige Ausblenden der Außenwelt dabei, auch die Zielgerade der Pandemie mit guter Laune zu durchleben. Wenn ich mir anschaue, wie es anderen täglich geht, mache ich, in meiner gemütlichen Blase ohne Social Media und Nachrichten, etwas richtig.
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Du sprichst mir aus der seele. schon länger halte ich mich von reißerischen schlagzeilen fern und bekomme, auf welchem weg auch immer, trotzdem die wichtigsten dinge mit. es kann so einfach und angenehm sein.
Was, wenn alle Deine Freundinnen und Freunde Deinen Ansatz aufgreifen und ebenfalls keine Nachrichten mehr lesen?
Schließt Dein Nachrichten-Vermeiden das Lesen tendenziell längerer und tiefgreifenderer Artikel ein, z.B. in Wochenzeitungen oder in Politik-Magazinen?
Wenn wir ehrlich sind, würde dann weiterhin einfach nichts passieren, weil wir uns kollektiv eingeredet haben, dass wir up-to-date sein müssen, dem aber nicht so ist..
Aber in der Realität würde ich mir vermutlich irgendeinen Service suchen, der mir alle 1-2 Wochen die tatsächlich wichtigen Geschehnisse zusammenfasst. Als E-Mail, oder so.
Mit ner Wochenzeitung startete ich meine Digitaler Minimalismus Angelegenheit, vor über einem Jahr. Gefiel mir aber nicht. Zumindest die ZEIT ist nichts mehr als eine Ansammlung von Meinungen irgendwelcher Autoren zu irgendwelchen Themen. Ich erhoffte mir weniger Meinung und mehr reine Information.
Erging mir ähnlich. Bin damit aufgewachsen jeden Abend die Nachrichten im Fernsehen mit der Familie anzusehen.
Nun im Februar riss bei mir der Geduldsfaden, weil jeden Tag im Grunde das gleiche erzählt wurde. Zahlen rauf. Zahlen runter. Verbandspräsident A findet aktuelle Situation schlecht. Zwei Tage später findet Verbandspräsident A aktuelle Situation wieder gut.
Sich vom ewigen News-Zyklus zu lösen spürbar gut getan.
Ich lebe in der Schweiz und habe letztes Jahr ein Online Magazin abonniert, welches einmal pro Woche die wichtigens News zusammenfasst. Mit dem passenden Namen „Was diese Woche wichtig war“. (Hier ein Beispiel: https://www.republik.ch/2021/04/16/us-truppen-verlassen-afghanistan-iran-beschuldigt-israel-der-sabotage-und-japan-will-verstrahltes-wasser-ins-meer-leiten)
Falls eine Geschichte mich brennend interessiert, gibts jeweils Links zu Long-Form Artikeln.
Witzig, ich sprach gestern erst mit jemandem und meinte, dass genau so ein Service wohl irgendwann das wäre, was ich haben wollen würde. Gib mir jede Woche, oder alle zwei Wochen, eine E-Mail mit allem, was tatsächlich relevant war. Brauche kein Protokoll von allem, was irgendwer gesagt hat.
Muss mir beizeiten sowas mal für Deutschland suchen.
Mag auch, dass hier in den Kommentaren mittlerweile mehrere gesagt haben, dass es ihnen auch so geht und sie ebenfalls eine positive Wirkung empfinden. Glaube, dass sehr viele auf „Aber man muss doch informiert sein!!“ steckenbleiben und ihr Verhalten und mentale Gesundheit nicht genug reflektieren.
Wie wählt man denn nach „übergreifenden politischen Strömungen“ beziehungsweise was soll das bedeuten?
Wie würdest du die relevanten deutschen Parteien übergreifend politisch einordnen, wenn du die letzten 10 Jahre betrachtest? Wofür stehen sie? Was ist ihnen wichtig?
Ich hatte vor kurzem auch so einen Aha-Moment in dem mit klar wurde, dass es vollkommen OK ist nicht alles zu wissen und zu allem eine Meinung zu haben. Social Media hat mir die letzten ~12 Jahre eingetrichtert ich müsste immer alles mitbekommen aber in Endeffekt macht das meinem Leben nur schlechter.
Ich bin echt froh, dass du bloggst und man hier immer Mal wieder reinlesen kann. So ist das viel entspannter als Timelines mit endlosen Doom-Scrolling.
🙂