Hier ist eine Meinung, nach der mich niemand gefragt hat: Auch Satire (und jede andere Form von Kunst) ist ein Produkt das von jemandem mit Verantwortung gestaltet wird. Erst gibt es das Produkt nicht, dann setzt sich ein Mensch hin, macht sich Gedanken, durchläuft irgendeinen mechanischen Prozess und etwas Neues ist entstanden. Gestaltung! Gestalter sind für die Ergebnisse ihrer Kreationen verantwortlich.
Als Gesellschaft sind wir in der misslichen Situation einer Kreation einen Wert zuordnen zu müssen, sobald wir sie erblickt haben. Oft ist das einfach: Wenn das Entstandene mehr schadet als nützt ist es legitim ihm negative Adjektive zuzuordnen.
„Diese Kreation ist schlecht.“
„Diese Kreation ist langweilig und doof.“
„Diese Kreation verbreitet xenophobe Stereotypen und erhöht unterm Strich das Leid in der Welt.“
Wertzuordnungen können subjektiv sein. Gut, schlecht, doof, alles relativ irrelevant. Wenn eine negative Wertzuordnung allerdings nachweislich korrekt ist, weil sie auf binären Fakten basiert, tritt etwas Wunderbares ein: Man kann aufhören darüber nachzudenken, ob es sich bei diesem Ergebnis um eine Sache handelt, die man gut finden sollte. Selbst, wenn das Ergebnis irgendeine Form von Kunst ist. Kreationen können mehr schaden als helfen und können daher kritisiert werden. Existenz reicht nicht für eine Wertzuschreibung. Qualität spielt eine Rolle.
In (sozialen) Medien geführte Diskussionen verkommen schnell zu wild verworrenen Argumentationssträngen, denen niemand mehr folgen kann. Angefangen mit dem Hinweis, dass etwas antisemitisch ist, geht es über die Frage, was eine Kunstform eigentlich darf zu Kritik an generellen gesellschaftlichen Phänomenen wie der „Cancel Culture“. Was dabei auf der Strecke bleibt sind die tatsächlich greifbaren und diskutierwürdigen Details, durch die ein Thema initial aufkam. Wenn jemand sagt, dass eine spezifische Aussage antisemitisch ist, kann man entweder daran arbeiten Argumente zu finden, die das widerlegen, oder, wenn das nicht gelingt, dieser Kritik zustimmen.
Man kann gestaltete Ergebnisse betrachten und feststellen, ob sie ihren Zweck erfüllen. Wenn einem Produkt faktenbasiert vorgeworfen wird, dass es destruktive Ergebnisse nach sich zieht, muss messbar bewiesen werden können, inwiefern das nicht der Fall ist. Man kann sich nicht hinter einem vagen Verständnis von „Kunst darf alles!“ verstecken, wenn die Möglichkeit gegeben ist, dass etwas, das jemand als Kunst bezeichnet, anderen Menschen schaden zufügt.
Was aber, wenn nicht klar ist, ob eine Kreation schadet, oder nicht schadet? Ausgehend von der Annahme, dass eine schaffende Person verantwortlich für ihre Kreationen ist, ist sie auch dafür verantwortlich sicherzustellen, dass das Ergebnis eindeutig nicht destruktiv ist. Etwas das eine Gratwanderung zwischen „Könnte unkritisch xenophobe Stereotypen verbreiten“ und „Könnte xenophobe Stereotypen eindämmen“ darstellt, kann keine gute Kreation sein. Wenn das Ziel nicht ist vielleicht ein paar xenophobe Vorteile zu verbreiten, hat man seine Aufgabe nicht gut genug erfüllt. Qualität spielt eine Rolle. Intention reicht nicht.
Die Kunstfreiheit, wie die Meinungsfreiheit, ist nicht in Gefahr, wenn man begründet erklärt warum ein Ergebnis dieser Freiheiten schlecht ist. In einer Diskussion von „Das ist antisemitisch“ zu „Aber Kunstfreiheit!“ zu kommen ergibt keinen Sinn. Man kann über Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit reden, wenn der Staat anfängt Formen davon zu verbieten. Bis dahin ist die Diskussion einer Kreation nur eine qualitative Bewertung einer Arbeit.
Sich der Verantwortung zu entziehen zu bedenken, was die potentiellen Auswirkungen der eigenen Kreationen sein könnten, ist feige und unethisch. Wer ein Ergebnis akzeptiert, das Leid beinhalten kann, macht sich mitschuldig.
Ein Kommentar-
Das ist vermutlich mehr ein Beitrag zur Qualität öffentlicher Debatten, als alles andere.