Das Argument auf Plattformen wie Twitter, Instagram und jetzt auch Clubhouse anwesend sein müssen, weil sonst nur Leute mit „schlechteren“ Meinungen dort den Diskurs bestimmen, halte ich für einen fadenscheinigen Zirkelschluss. Man muss dort sein, weil man sonst nicht dort ist. Mitreden, weil man sonst nicht mitredet.
Den Wunsch danach etwas in der Welt verbessern zu wollen kann ich respektieren. Ich begrüße ihn sogar! Wenn man aber rational auf die Tatsachen blickt, merkt man schnell, dass ein Social-Media-Account mit einer Handvoll Folgender, die im Schnitt die eigene Meinung teilen, nichts verändern wird.
Die meisten von uns sind durchschnittlich und gehören damit, das liegt in der Natur der Sache, zum Durchschnitt. Die meisten von uns haben keine Bühne, die so groß ist, dass es sich lohnt viel Zeit in sie zu investieren und werden sie auch niemals haben. Das ist eine objektive, mathematische Wahrheit. Ich liebe Fakten dieser Art, weil man sie leicht akzeptieren kann. Es kratzt nur kurz etwas am Ego.
Sobald Akzeptanz für diese Wahrheit einsetzt, bleibt ein deprimierendes Loch der Selbstzweifel. Man kann sich nicht mehr vormachen, dass man etwas konstruktives zur Gesellschaft beiträgt. Positiver formuliert: Zu verstehen, dass der eigene 08/15-Online-Aktivismus vermutlich wenig bringt und keine Energie mehr in diese Plattformen zu investieren, gibt einem neue mentale Kapazitäten darüber nachzudenken, wie man wirklich helfen kann.
Warum nicht mal einem Ortsverband der Lieblingspartei beitreten. Sein Wissen in Form von Mentorships oder Kursen vermitteln. Im Tierheim aushelfen. Für alte Leute einkaufen gehen. Tatsächlich konstruktive Arbeit erzeugt ein Glücksgefühl, das weit über das hinausgeht, was Retweets und Hinweise auf sehr lesenswerte Twitter-Threads leisten können. Es ist nur schwer darüber nachzudenken, was man wirklich leisten kann, wenn man ständig von der Sisyphusarbeit des Schreibens von Tweets, dem Aufnehmen von Stories und der Teilnahme an ach-so-wichtigen Clubhouse-Diskussionen abgelenkt wird.